Spätestens seit Ende vergangenen Jahres hat sich www.younow.com zu einer beliebten Videoplattform unter Jugendlichen im Netz verbreitet und erfreut sich derzeit einer schnell wachsenden Nutzerzschaft. YouNow ist in diesen Tagen eines der aufdringlichsten Themen im Jugendmedienschutz, über das aufgeklärt und gewarnt werden muss.
Was genau ist YouNow?
YouNow ist eine Live-Streaming-Videoplattform. Auf den ersten Blick sind Videos von Jugendlichen am stärksten verbreitet, die sich selbst filmen und parallel dazu Fragen beantworten, die ihnen per Sofortchat geschickt werden. Ein zusätzlicher Reiz von YouNow liegt in dem Wettbewerbs- und Spielcharakter der Videoplattform. Je mehr Likes und Klicks mein Stream erhält, desto höher steigt mein Kanal im „Trending People Ranking“ und ermöglicht sogar finanzielle Gewinnchancen (mehr zu diesen Funktionen hat der Trierer Medienblog zusammengestellt).
Es geht vor allem ums Sehen und Gesehen werden, sich Darstellen in einer Art Bewegt-Selfie, um die Interaktion mit anderen, das Teilhaben am Privatleben anderer, provozieren und Reaktionen erhaschen. Der Wunsch Minderjähriger Aufmerksamkeit und Berühmtheit zu erlangen, scheint für sie durch YouNow schnell erreichbar.
Ein kurzer Einblick, was auf YouNow passiert und wer an einem Dienstag Mittag Ende Januar die TopTen der aktuellen Streams belegt:
RealSimon nimmt seine Zuschauer mit zum CheckIn auf seinen Flug nach Köln.
MrTrashpack warnt davor, persönliche Daten wie Wohnort und Telefonnummer von sich preiszugeben, immerhin können die Live-Streams auch aufgezeichnet werden.
SimonByren_1 ist 14 Jahre und reagiert auf jede Frage, wo wohnst du, wie alt bist du, wie heißt du auf Instagram.
TomHamburger, wirkt wie ein 11Jähriger, ruft in die Kamera: „Wer ist denn noch da? Hallo Leute! 12 Leute?“ Und fordert auf: „Leute, bei 2000 Likes esse ich einen Löffel Salz, ok? Kommt auf geht’s Liken, Liken!“. Im Chatfenster wird über sein Alter diskutiert: 2Dampfi schreibt: „Er sieht aus wie 13“ TomHamburger reagiert genervt: „Ja ich bin 13 und Ende der Diskussion!“.
Auch bei sophie_sarah, die geduldig jede Frage beantwortet, geht es immer wieder um ihr junges Alter (13 Jahre). Ihr Aussehen wird kommentiert und sie wird aufgefordert, aufzustehen und ihren ganzen Körper in die Kamera zu zeigen.
Wir vom Projekt „Medienkenner“ haben starke Bedenken – Verletzung des Rechts am eigenen Bild und der Privatsphäre sowie die freizügige Darstellung und Freigabe persönlicher Daten bergen einige Probleme mit sich.
Datenschutz – Fehlanzeige
Nicht nur die bildliche Darstellung steht im Vordergrund, sondern auffällig ist der freie Umgang mit Daten. Der bei Kindern und Jugendlichen beliebte Youtuber LeFloid verdeutlicht in seinem Video, dass er nur mit wenigen Fragen Angaben zu Namen, Alter, Schule und Wohnort eines Mädchens erfahren hat und gleich dazu mit welchem Bus sie am nächsten Tag um 10 vor vier nach Hause fährt. LeFloid warnt seine junge Zuschauerschaft: „Machst du erst deinen Kopf an, dann den Internetz“! Hier geht es zum Video.
Jeder Stream auf YouNow kann öffentlich ohne eine Registrierung angesehen werden. Wer selbst streamen oder kommentieren möchte, muss sich über die Portale Youtube, Twitter oder mit seinem Googleaccount anmelden. Das bedeutet gleichzeitig, alle Daten, die ein Nutzer über sich bei diesen Internetanbietern angegeben hat, werden automatisch mit YouNow verknüpft. Wer also mit einem Nickname in YouNow agiert, aber mit Klarnamen und Angaben zum Wohnort oder Schule bei Facebook angemeldet ist und sich über Facebook bei YouNow registiert hat, gibt an andere Nutzer diese sensiblen persönlichen Daten weiter.
Streams aus dem öffentlichen Raum verletzen regelmäßig das Recht am eigenen Bild. Hier werden Eltern, Lehrer, Mitschüler und viele mehr unwissentlich im Internet veröffentlicht, teilweise sogar mit Namen und in privaten Situationen.
Sexuelle Belästigung – Wer schaut zu?
Unter #deutsch-girl finden sich zahlreiche Streams, in denen junge Mädchen aus ihrem Zimmer und häufig auch aus ihrem Bett über ihr Leben erzählen.
In den Kommentaren wird deutlich: Hier schauen nicht nur Kinder und Jugendliche zu, sondern auch Erwachsene mit pädosexueller Ausrichtung.
Auf sexuelle Aufforderungen reagiert die Peergroup im Chat zwar mit Warnungen wie “Pass mal auf! Ich glaube hier holen sich einige einen auf dich runter”, doch diese scheinen ins Leere zu laufen.
Wie selbstbestimmt junge Kinder im Alter von ca. 11 oder 12 Jahren in ihrer Sexualität wirklich sind, ist stark zu bezweifeln. Hier bedarf es an Aufklärung.
Wer streamt setzt sich einer permanenten Beurteilung und Bewertung aus. Dies zieht neben der sexuellen Belästigung auch Beleidigungen über Aussehen, Herkunft und Aussprache mit sich.
Rechtsverletzungen ohne Folgen
YouNow ist ein us-amerikanischer Anbieter mit Sitz in New York und seit 2014 in Deutschland bekannt. Im Januar 2015 wurden 16 Millionen Streams aus Deutschland gezählt.
Für jegliche Rechtsverletzungen, die auf der Plattform begangen werden, kann YouNow nicht belangt werden.
Laut den nur auf englisch vorhandenen AGBs ist YouNow ab 13 Jahren freigegeben, eine Altersverifikation bei der Anmeldung ist jedoch nicht vorhanden.
Ein extra Regelwerk von YouNow, das im Februar auf deutsch erschien, lässt auf viele Rechtsverletzungen rückschließen. Die Einhaltung der Regeln kann YouNow kaum kontrollieren und so hat sich mit diesem Portal ein scheinbar rechtsfreier Raum ergeben, der für viele unaufgeklärte Nutzer persönliche und rechtliche Nachteile mit sich ziehen kann.
Weitere Infos zum Anbieter und Eindrücke des Nutzerverhaltens fasst ein Videobeitrag des ZDF-Magazins WISO zusammen. Hier geht es zum Video.
Medienkompetenz und erzieherische Aufgabe
Als Eltern und Pädagogen ist es unsere Aufgabe mit unseren Kindern über YouNow und die damit einhergehenden Probleme zu sprechen. Es sollte verdeutlicht werden, welche Konsequenzen aus dem freizügigen Umgang mit persönlichen Angaben für den jugendlichen Nutzer entstehen können und dass sich daraus eine reale Gefahr ergeben kann. Sprechen Sie darüber, wer alles zusieht und dass Videostreams nicht nur für den Moment sind, sondern gespeichert und von anderen wiederverwertet werden können. Stärken Sie ihr Kind soziale Verantwortung für sich selbst und seine Mitmenschen auch in der digitalen Welt zu übernehmen.
Kinder und Jugendliche zu befähigen, Portale wie YouNow mit seinen Tücken und Problemen eigenständig bewerten zu können, setzt Medienkompetenz voraus, die nur durch Aufklärung und Begleitung erreicht werden kann.
Das Projekt Medienkenner bietet Beratung, Unterstützung und Bildungsangebote rund um das Thema YouNow und Datensicherheit im Social Web für Sie, ihr Kind und pädagogische Einrichtungen an.