Kinderpornografie auf Whatsapp und Co. – ein Verbrechen

Eine Information für Fachkräfte und Familien

Ein Smartphone mit verwischten Fotos, Quelle: Jan Vašek / PixabaySexualisierte Gewalt gegen Kinder verursacht schwere physische und psychische Schäden und kann Betroffene ihr gesamtes Leben lang traumatisieren. Die gesellschaftliche Verantwortung, Kinder vor solchen schädlichen Erfahrungen zu schützen, liegt bei uns allen.
Seit Juli 2021 drohen nach § 184b des Strafgesetzbuches bei Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornografischen Inhalten Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Das macht den Straftatbestand auch in juristischer Hinsicht automatisch zu einem „Verbrechen“ (§ 12 Abs. 1 StGB). Zuvor handelte es sich lediglich um ein „Vergehen“ (§ 12 Abs. 2 StGB). Das bedeutet: Wer im Besitz von kinderpornografischem Material ist, muss in jedem Fall eine öffentliche Anklage und die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe fürchten.
Dabei trifft es nicht immer nur Pädokriminelle. Die neuerliche Einstufung als Verbrechen kann weitreichende Folgen für Eltern, andere Erziehungsberechtigte, Lehrer*innen und andere pädagogische Fachkräfte haben. Sogar Kinder und Jugendliche selbst können vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt werden.

Wieso wurde das Gesetz geändert?

Die Intention des Gesetzgebers, den Straftatbestand des § 184b StGB nun als Verbrechen zu formulieren, ist konsequent. Denn mit der Digitalisierung sind leider nicht nur Chancen, sondern auch Risiken verbunden: Missbrauchstäter*innen steht eine Vielzahl von neuen Plattformen, Wegen und Methoden zur Verfügung. Die Möglichkeiten, Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu verbreiten, sind praktisch nahezu unbegrenzt. Hinzu kommen erschwerte Folgen für die Betroffenen: Die vollständige und endgültige Entfernung von Abbildungen oder Videos aus dem Internet zu erreichen, ist für Betroffene schwierig bis vielfach faktisch unmöglich.

Das macht deutlich: Wir haben es mit neuen Taten, weitreichenderen Auswirkungen für Betroffene und damit einer neuen Dimension an Unrecht zu tun. Es ist klar, dass der angedrohte Strafrahmen stets der Schwere der Tat entsprechen muss. Deswegen war es naheliegend und begrüßenswert, den Straftatbestand des § 184b StGB als Verbrechen auszugestalten. Es ist ein starkes Symbol dafür, dass die Bundesregierung die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder als eine wichtige Herausforderung ernst nimmt.

Welches Problem gibt es in der Praxis?

Dennoch bringt die Neugestaltung des § 184b als Verbrechen einige Probleme in der Praxis mit sich. Es mangelt an Ausnahmefällen oder anderen Möglichkeiten, bei besonders gelagerten Fällen von der Strafverfolgung abzusehen. Denn bei Verbrechen kann nach § 153 Strafprozessordnung ausdrücklich weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht das Strafverfahren einstellen.
Vor der Änderung konnte die Justiz in Fällen, in denen Jugendliche, Eltern oder andere Fachkräfte unbeabsichtigt oder aus Unachtsamkeit in den Besitz von kinderpornografischem Material gelangten, mit relativ leichten Mitteln von der Strafverfolgung absehen. Seitdem den beteiligten Richter*innen und Staatsanwält*innen nach der Aufwertung des Tatbestands zum Verbrechen die Hände gebunden sind, stehen nun nicht mehr nur Missbrauchs- und Gewalttäter*innen vor Gericht. Verfolgt werden müssen nun auch die Personen, die die Justiz „naive Täter*innen“ nennt. Ihnen droht mindestens ein Jahr Gefängnisstrafe.

Was bedeutet das für Whatsapp und Co.?

In der Polizeilichen Kriminalstatistik 2022 sind im Deliktbereich „Verbreitung pornografischer Schriften“ rund 41 Prozent der Tatverdächtigen minderjährig. Das ist kaum verwunderlich: Wenn Jugendliche ihre neu entdeckte Sexualität erkunden, benutzen sie dabei selbstverständlich digitale Medien. Minderjährige senden und teilen ganz unbedarft „sexy Bilder“ an Gleichaltrige – oft über WhatsApp.
Die Erwachsenen leben es ihnen vor. Sogar bei Pädagog*innen ist zu beobachten, dass Inhalte in den sozialen Medien und Messenger-Apps unreflektiert und teilweise leichtfertig geteilt und weiterverbreitet werden.
So schreibt beispielsweise eine Lehrkraft an einer Schule einer Kollegin aufgeregt bei WhatsApp, dass von einer minderjährigen Schülerin Nacktfotos im Umlauf seien und sendet einen Screenshot als Beweis. Das ist naiv und unvorsichtig. Die Fotos hätten sofort der Polizei gemeldet werden müssen, anstatt sie weiterzuverbreiten. Doch nicht nur die sendenden Personen verhalten sich nachlässig. Bei den Empfänger*innen befindet sich das Bild nun – teilweise ohne Kenntnis – im Zwischenspeicher des Smartphones. Die Personen sind damit im Besitz von kinderpornografischem Material. Auch ihnen droht jetzt die Strafverfolgung mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe als Sanktion – also das Gleiche, was auch tatsächlich pädokriminelle Täter*innen erwarten würde. Das ist nicht gerecht.
Kommt es zu einer Verurteilung „naiver Täter*innen“, erfolgt eine Eintragung ins erweiterte Führungszeugnis. Damit sind für alle Bestraften pädagogische Tätigkeiten ausgeschlossen, für Jugendliche hat ein Eintrag einen erheblich negativen Einfluss auf den Start ins Berufsleben.

Sollte da der Staat nicht eingreifen?

Tatsächlich hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz den Bedarf längst erkannt, die Verschärfung wieder rückgängig zu machen. Bis Ende 2023 soll ein Gesetzesvorschlag präsentiert werden. Über die möglichen Wege wird aktuell rechtspolitisch stark gestritten.
Zum Schutz von Heranwachsenden sollte der Tatbestand als Verbrechen bestehen bleiben. Taten der sexualisierten Gewalt gegen Kinder müssen entsprechend bestraft werden. Zur Lösung der Probleme in der Praxis braucht es aber ausdifferenzierte Ausnahmetatbestände. Bis zur erneuten Änderung des Strafgesetzbuches sind Lehrer*innen, Fachkräfte oder Aufsichtspersonen gut beraten, sich dieses Problems aktiv bewusst zu sein und sich entsprechend vorsichtig und medienkompetent zu verhalten.

Wo gibt es Hilfe und Unterstützung?

Projekte zum Jugendmedienschutz für Heranwachsende sowie Informationen und Fortbildungen für Fachkräfte gibt es unter
www.servicestelle-jugendschutz.de

Eine Kampagne der Polizeilichen Kriminalprävention mit weiteren Informationen zur Thematik sowie zu Hilfsangeboten finden Sie unter
www.soundswrong.de

Anzeige kann hier erstattet werden
www.lsaurl.de/eRevierST 

 

 

Was Fachkräfte und Eltern tun können

Teilen Sie nicht über Whatsapp und Co.
WhatsApp oder andere Messenger sind nie der geeignete Ort, um sensible Daten zu teilen. Fertigen Sie von einschlägigen Bildern keine Screenshots an. Teilen Sie generell Inhalte nie ungeprüft. Nehmen Sie grundsätzlich keine Gruppeneinladungen von Unbekannten an. Weisen Sie bei Vorfällen andere Gruppenmitglieder deutlich auf die Strafbarkeit hin und verlassen Sie ggf. die Gruppe, um sich von dieser zu distanzieren.

Haben Sie Sicherheitseinstellungen im Blick:
Nehmen Sie die Privatsphäre-Einstellungen so vor, dass fremde Kontakte Sie bzw. die Kinder nicht einfach in Gruppen hinzufügen können. Deaktivieren Sie den automatischen Download von Medien. Aber auch bei deaktiviertem Auto-Download werden Bilder und Videos in den Zwischenspeicher heruntergeladen. Es besteht kein vollständiger Schutz.

Reden Sie mit den Kindern und Jugendlichen:
Versuchen Sie, den Kindern und Jugendlichen deutlich zu machen, dass es sich bei für sie harmlos wirkende „sexy Bilder“ um strafbare Inhalte handeln kann. Erläutern Sie ihnen die strafrechtlichen Konsequenzen dahinter und stellen Sie sich als zuverlässige und vertrauliche Ansprechperson zur Verfügung.

Leben sie Medienkompetenz (vor):
Seien Sie im Umgang mit Medien stets vorsichtig, kritisch und sensibel. Jede beabsichtigte und unbeabsichtigte Vervielfältigung von Bildern mit Inhalten sexualisierter Gewalt schadet den Betroffenen.

Keinen Zweifel aufkommen lassen:
Gelangen Sie ohne Ihr Zutun selbst in den Besitz von kinderpornografischem Material, müssen Sie dies der Polizei unverzüglich melden. Überlassen Sie den Behörden die Beweissicherung.

Stand: 05.06.2023

Autor*innen: Dr. Katja Bach, Janusz Zimmermann | V.i.S.d.P.: Olaf Schütte

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