Diskurs zu gesetzlichen Altersgrenzen für Social Media

Welche Absicht versteckt sich hinter der Diskussion um ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige? Ist es der Wunsch nach mehr Schutz für Kinder und Jugendliche vor medialen Gefährdungspotentialen oder vielleicht die Überforderung der Erwachsenen im Umgang mit den medialen Realitäten in jugendlichen Lebenswelten?

Schützt eine Altersregulierung vor Gefahren wie sexualisierter Gewalt, Hass, Hetze und Desinformation? Oder sprechen Altersgrenzen Heranwachsenden das Recht auf Online-Medien als Erfahrungs- und Orientierungsräume ab? Müssten diese Räume nicht eher so gestaltet werden, dass Kinder und Jugendliche dort konsequent geschützt werden? Wie kann man die Anbieter dazu stärker in die Pflicht nehmen?

Diesen Diskurs führen Expert*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen in der der aktuellen Ausgabe der BzKJ aktuell.

Die Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Professorin Dr. Eva Möhler, spricht sich für eine feste Altersgrenze aus, um sowohl die mentale als auch die körperliche Gesundheit von jungen Menschen zu schützen. Aus ihrer Sicht würden Altersgrenzen Sorgeberechtigten einen gesetzlichen Rahmen und damit mehr erzieherische Sicherheit sowie Orientierung bieten.

Altersbeschränkungen zum Jugendschutz sind ja aber keine neue Erfindung. In den Bildungsveranstaltungen der Servicestelle machen die Referent*innen regelmäßig die Erfahrung, dass bereits bestehende Altersgrenzen – vor allem auch von Eltern – ignoriert werden. Selbst deutlich erkennbare „keine Jugendfreigabe“-Labels auf Filmen und Computerspielen halten Minderjährige von deren Nutzung nicht ab.

Schulleiterin Silke Müller argumentiert ebenso für eine Social-Media-Altersgrenze. Gleichzeitig wünscht sie sich aber auch eine bessere medienpädagogische Ausbildung von Fachkräften und Lehrpersonal, um Medienkompetenzförderung in den Unterricht zu integrieren.

Die Medienpädagogen Dr. Friederike von Gross, Professor Dr. Eik-Henning Tappe und André Weßel von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V. sehen Verbote nicht zielführend. Sie befürchten, dass Altersgrenzen eine kritische und reflektierte Mediennutzung verhindern sowie Befähigung und Teilhabe entgegenstünden. Sie sprechen sich für einen altersgemäßen, selbstbestimmten und diskriminierungsfreien Medienzugang in dafür konzipierten Schutzräumen aus.

Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen macht deutlich, dass der Ausschluss junger Menschen von der Social-Media-Nutzung einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention darstelle. Sie plediert für eine Gestaltung der Plattformen, die die Kinderrechte auf Schutz, Befähigung und Teilhabe berücksichtigt.

Auch die jungen Menschen selbst sind am Diskurs beteiligt. Ein Novum der BzKJ ist die Beteiligung von Jugendlichen im Beirat. Anais Böhme (16) und Yunus Roschlau (14) geben Einblicke, wie Jugendliche zur Debatte stehen, welche Erfahrungen sie auf den Plattformen machen und was es aus ihrer Sicht braucht, damit sie digitale Räume sicher nutzen können. Sie wägen die Chancen gegen die Risiken bei der Nutzung sozialer Netzwerke ab und plädieren für mehr Anbietervorsorge, Aufklärung und Prävention.

Die Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) setzt sich für sichere und altersgerechte Online-Angebote ein. Aus ihrer Sicht dürfte eine nationale gesetzliche Verpflichtung für Altersgrenzen auf Online-Plattformen mit dem Europarecht kaum vereinbar sein.

Aus Sicht der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz braucht es ein ganzheitliches Zusammenwirken aus Medienbildung, wirksamen Altersüberprüfungen und angemessenen Vorsorgemaßnahmen.