Ich heiße Vanessa Kannenberg und bin 20 Jahre alt. Derzeit absolviere ich einen Freiwilligendienst im Team der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz. Ich möchte mit diesem Artikel auf das Thema Sexting im Bezug auf Intervention und Prävention eingehen. Dafür wenden wir uns zuerst der Definition zu.
Was ist Sexting überhaupt?
Sexting setzt sich aus den Wörtern „Sex“ und „Texting“ zusammen. Der Begriff „Sexting“ ist jedoch eher in der Wissenschaft etabliert als bei den Jugendlichen selbst. Er beschreibt das Versenden und Empfangen selbst produzierter, freizügiger Aufnahmen via Computer oder Smartphone.
Wann man genau von Sexting spricht ist unklar, denn die Wissenschaft liefert dazu keine eindeutigen Kriterien. Ob schon ein Selfie mit sexy Blick, einem schönen Oberteil mit tieferem Ausschnitt oder erst Fotos im Bikini, in Dessous oder Boxershorts „zu nackt“ sind, liegt im Auge des Betrachters. Jedoch spielt auch die Inszenierung des Bildes (Licht, Perspektive, Pose usw.) oder der Kontext eine Rolle. Wie man Sexting bewertet, hängt also von der eigenen Haltung zu Nacktheit, Erotik und Sexualität ab.
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Sextingsteht für das einvernehmliche Austauschen von intimen Aufnahmen zwischen zwei Menschen. |
Sexting spielt sich auf der digitalen Ebene ab. Es werden meist Anwendungen wie WhatsApp, Snapchat, Instagram oder Telegram genutzt, um sich diese anziehenden Bilder oder Videos zu übermitteln.
Warum sich Jugendliche als auch Erwachsene solche Bilder zukommen lassen, hat unterschiedliche Gründe. Die einen tun es innerhalb von Beziehungen, um Liebe, Vertrauen und Lust auszudrücken oder in Fernbeziehungen, um Sehnsucht zu überbrücken. Andere nutzen Sexting, um Feedback oder Rückmeldung über das eigene Aussehen und den eigenen Körper zu erhalten. Es wird jedoch am häufigsten genutzt, um neue Paarbeziehungen aufzubauen, zum unverbindlichen Flirten oder weil man ausschließlich an einer sexuellen Beziehung interessiert ist.
Nebenwirkungen und Risiken von Sexting
Sexting ist per se nichts schlechtes. Das Phänomen „Sexting“ hat jedoch ein negatives Image aufgedrückt bekommen, weil nur die nachteiligen Auswirkungen Schlagzeilen machen. Dazu zählen unter anderem die unerlaubte Weitergabe der Aufnahmen und damit einhergehendes (Cyber)Mobbing und soziale Ausgrenzung sowie die Erpressung mittels der Aufnahmen.
Viele Jugendliche testen sich während ihres Aufwachsens aus und Erfahrungen mit Sexting können dazu gehören. Sie sollten jedoch über die damit einhergehenden Risiken aufgeklärt werden und gut darüber nachdenken, was und an wen das intime Bild übermittelt wird.
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Sextorsionsetzt sich aus „sex“ und „extortion“ (engl. für Erpressung) zusammen. Als Sextortion bezeichnet man die missbräuchliche Verwendung von intimen Fotos und Videos als Druckmittel. Die Täter*innen drohen damit, die Aufnahmen auf einer Plattform hochzuladen und zu veröffentlichen. Sie fordern Geld, um die Tat nicht auszuführen und machen sich hierbei in mehreren Punkten strafbar. |
Handlungsempfehlungen für Jugendliche
Um negative Folgen beim Sexting zu verhindern, sollten folgende Hinweise beachtet werden:
1. „Safer Sexting gibt es nicht!“. Auch ein vermeintlich sicheres Versenden über Snapchat oder – ganz neu auch – WhatsApp, bei dem der/die Absender*in eine Zeit zum automatischen Löschen des Bildes einstellt, verhindert nicht, dass ein Bild kopiert, gespeichert oder ein Screenshot erstellt wird. Dadurch können diese Bilder schnell an die Öffentlichkeit gelangen und für strafbare Handlungen genutzt werden. Daher solltest du überlegen, ob Sexting das richtige für dich ist.
2. Es ist wichtig, dass man den/die Empfänger*in einer intimen Aufnahme sehr kritisch auswählt. Frag dich vorher, ob du der Person, der du die Aufnahmen schickst, wirklich vertrauen kannst und was anschließend mit den Aufnahmen passiert.
3. Lass dich zu nichts drängen und dränge andere nicht dazu, dir persönliche Aufnahmen zu senden. Diese Handlungen basieren auf Freiwilligkeit.
4. Nein sagen ist okay! Lass dich von nichts und niemandem dazu zwingen, ein solches Bild von dir zu schicken. Es besteht das Recht am eigenen Bild und vor allem solltest du immer auf dein Bauchgefühl hören. Schäme dich nicht für deine Entscheidung!
5. Es gibt die Möglichkeit – ganz old school – der Person das aufreizende Bild nur zu zeigen, anstatt es zu versenden. Dadurch hat die andere Person nicht die Möglichkeit, das Bild weiterzusenden.
6. Mache deine Bilder unkenntlich! Verschicke niemals ein Nacktbild mit deinem Gesicht oder anderen markanten Merkmalen, anhand derer du identifiziert werden kannst.
7. Wenn du ein Nacktbild erhalten hast, leite es niemals weiter! Damit machst du dich strafbar und kannst dadurch der abgebildeten Person enormen Schaden zufügen.
Handlungsempfehlungen für Eltern und Pädagog*innen
Für Eltern deren Jugendliche Sexting betreiben oder Pädagog*innen, die solche Handlungen mitbekommen, ist das Thema nicht einfach anzusprechen. Jedoch gibt es einige Tipps, die hier angewendet werden können:
1. Fragen Sie nach und reden Sie miteinander! Die meisten Jugendlichen werden nicht direkt über ihre Handlungen und Fehler berichten wollen, daher sollten Sie sie nicht verurteilen, sondern mit ihnen ins Gespräch kommen. Signalisieren Sie eine neutrale Einstellung zum Thema Sexting sowie eine vertrauensvolle Gesprächsbasis und Beziehung. Dadurch fällt es den Betroffenen leichter, sich zu öffnen.
2. Reflektieren Sie Medien- und Rollenbilder! In den Medien werden Jugendliche überwiegend mit den vorherrschenden Rollenbilder und unterschiedlichen Geschlechterrollenerwartungen überhäuft. Bringen Sie die Betroffenen dazu, die Bilder zu überdenken und zu hinterfragen. Nicht alles, was in den Medien gezeigt wird, entspricht der Realität. Jedoch sollten auch Sie hierbei ihre Rollenbilder überdenken und Sensibilität ausstrahlen.
3. „Nein“ sagen ist Okay! Vermitteln Sie den Jugendlichen, dass sie sich nicht für ihre Entscheidung schämen müssen und dass „Nein“ sagen an einigen Stellen sehr richtig und wichtig sein kann. Das eigene Bauchgefühl ist wichtig, egal wie hoch der Druck wird mitzumachen.
4. Lassen Sie sich Nacktaufnahmen niemals weiterleiten! Wer persönliche Aufnahmen weiterleitet macht sich strafbar. Sie kommen gegebenenfalls in den ebenfalls strafbaren Besitz von kinder- oder jugendpornografischen Aufnahmen. Weisen Sie die Jugendlichen auf die Strafbarkeit und die Möglichkeit einer Anzeige hin.
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AnzeigemöglichkeitenPolizei LSA E-Revier Dickstinction |
5. Lassen Sie kein Victim Blaming zu! Vermitteln Sie den Jugendlichen, dass sie als Produzenten einer intimen Aufnahme keine Schuld an negativen Folgen tragen, sondern immer die Person, die es unerlaubt weitergibt.
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Victim Blamingengl. = Opfer-Beschuldigung; die Schuld für die negativen Folgen den Betroffenen geben. Durch die Schuldzuweisung wächst der Leidensdruck der Betroffenen. Sie holen sich keine Unterstützung, weil die Angst besteht, dass auch Erwachsene und potenzielle Helfer*innen diese Ansicht teilen könnten. |
Es gibt auch die Möglichkeit, die Kinder und Jugendlichen mit verschiedenen Büchern zum Thema Sexting zu sensibilisieren.
Unsere Empfehlung ist das Buch „Oben ohne“ von Jutta Nymphius. In diesem geht es um ein Mädchen, dessen Eltern sich in einer Krise befinden, dessen beste Freundin sich völlig fremd anfühlt und das sich in der Schule spitze Kommentare von den Jungs anhören muss. Über allem schwebt dazu noch der Zweifel an ihrem Körper – zu viel Bauch, zu kleine Brüste. Als dann noch ihr Schwarm nach einem Oben-ohne-Bild von ihr fragt, eskaliert die Situation. Dieses Buch hat uns insbesondere deshalb sehr gut gefallen, weil die Lösung des Konflikts sehr kreativ und überraschend ausfällt.
Ebenfalls eine Empfehlung ist das Buch „Uncovered – Dein Selfie zeigt alles“ von Ilona Einwohlt. Im Buch geht es ebenfalls um ein Mädchen, dass sich zum Senden eines Nacktfotos überreden lässt und die Konsequenzen zu tragen hat. Das besondere hierbei ist die Darstellung mehrerer Beteiligter, die sich unfair verhalten und strafbar machen.
Beide Bücher eignen sich als Lektüre in Schule und Jugendarbeit und werden ab 12 Jahren empfohlen. Für „Uncovered“ gibt es auf der Verlagsseite auch Unterrichtsmaterialien.
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Hier finden Kinder und Jugendliche Hilfe:Nummer gegen Kummer Jugendnotmail pro familia |
Stand: 13.08.2021 | Autorin: Vanessa Kannenberg
Für Kinder und Jugendliche haben wir folgendes Angebot zu diesem Thema:
Für Multiplikator*innen bieten wir folgende Fortbildung zum Thema an: